Selbsthilfegruppe Caring Dads - Wenn der Vater wütend wird

Hannover - "Man kann es nicht zurückdrehen“, sagt Michael R. „Aber man kann es in Zukunft besser machen.“ Was er ihr angetan habe, bereue er zutiefst, hat der Schlosser seiner Tochter in einem Brief geschrieben.

Es sei schlecht gewesen, sie unter den Wasserhahn zu drücken und dabei am Mund zu verletzten. Falsch und mies, sie in eine Küchenecke zu zerren, wobei ihr eine Zahnecke abbrach. Das Schuldeingeständnis, das weiteres Fehlverhalten umfasst, hat R. der 15-Jährigen zum Ende seines Sozialtrainings Caring Dads übergeben. Ein Jahr nach Beginn des Modellprojekts beim Männerbüro Hannover ziehen er und andere Teilnehmer im Gespräch mit der HAZ für sich eine positive Bilanz. Sie seien keine neuen Menschen, aber bessere Väter geworden.

Caring Dads (Fürsorgliche Väter) ist ein von Land und Klosterkammer Hannover gefördertes soziales Training für Väter, die in ihren Familien Gewalt ausgeübt haben. Bei dem 26-Wochen-Programm nach kanadischem und Düsseldorfer Vorbild sollen die Männer lernen, ihre Aggressionen zu kontrollieren und sich ihren Kindern gegenüber friedlicher zu verhalten. Jugendamt, Gerichte und Staatsanwaltschaft schicken - als Auflage - einige Männer nach häuslicher Gewalt zu den Treffen. Andere Väter, wie Michael R., kommen freiwillig.

„Mich hat er behandelt wie ein Stück Dreck.“

Als seine Tochter in die Pubertät kam, seien die Konflikte so eskaliert, dass er sich nicht anders zu helfen wusste, erzählt der 53-Jährige. Bei alltäglichen Streitigkeiten, etwa über ein unaufgeräumtes Zimmer, sei er immer wieder in Rage geraten, habe sich nicht kontrollieren können. „Dabei war sie doch mein Liebling gewesen“, sagt R. Auch die Ehe habe in der Zeit schwer gelitten; seine Frau, die sich schützend vor das Mädchen stellte, habe ihn gedrängt, sich beraten zu lassen. So sei er auf die Caring-Dads-Gruppe gestoßen, die vom Sozialpädagogen Bernward Müller-Prange und, für die weibliche Perspektive, der Pädagogin Doreen Herler professionell geleitet wird.

Anders als Elternkurse des Kinderschutzbundes richtet sich das Projekt gezielt an Männer. In der Gruppe sollen sie zunächst lernen, ihre Gefühle zu erkennen und zu benennen. Das Verhältnis zum eigenen Vater spielt dabei eine Rolle. „Mein Vater war freiwillig in den Zweiten Weltkrieg gezogen“, erzählt R., ein in dem Gespräch freundlicher Mann in Jeans und einem Polohemd, das seine kräftigen Arme betont. „Mich hat er behandelt wie ein Stück Dreck.“ Obwohl er selbst nie so werden wollte, sei er auf dem Weg gewesen, seine Tochter genauso zu behandeln, sagt der Schlosser. Das könne natürlich keine Entschuldigung sein, sondern nur eine Erklärung. Kein noch so provokantes Verhalten eines Kindes dürfe dazu führen, dass ein Erziehungsberechtigter sich nicht unter Kontrolle habe.

Ähnliches berichtet Thomas H. Auch der 52-Jährige aus dem Süden der Stadt ist freiwillig zu Caring Dads gekommen. Der Diplom-Kaufmann schildert sein früheres impulsives Verhalten gegenüber seinen Teenager-Töchtern als sehr problematisch - auch wenn in seinem Fall keine körperliche Gewalt gegen die Mädchen im Spiel war. Mit Beschimpfungen und Beleidigungen habe er die Mädchen erniedrigt, wenn sie sich trotzig zeigten - wie Mädchen in dem Alter eben oft sind, wie er heute weiß. Sehr oft habe sich Streit etwa um das Ausräumen der Spülmaschine so hochgeschaukelt, dass er gebrüllt und Türen geknallt habe. „Die Atmosphäre wurde unerträglich, ich musste gucken, wie ich diese Spirale durchbreche,“ sagt der hagere Akademiker rückblickend und putzt dabei seine Brille.

Männer scheuen sich über ihr Verhalten zu sprechen

In der Gruppe, die sich mittwochsabends für zwei Stunden im Männerbüro trifft, musste der Kaufmann, wie die anderen, regelmäßig als „Hausaufgabe“ ein Verhaltensprotokoll der vergangenen Woche schreiben. Jeder erarbeitete sich dabei einen „Notfallplan“ - einen Weg, beim nächsten Streit die Wut nicht in Gewalt zu verwandeln. Thomas H. hilft es, erst mal den Raum zu verlassen und eine Weile spazieren zu gehen. Anschließend versucht er, in Ruhe das Problem zu bereden. Das gelinge ihm mittlerweile gut, allen in der Familie gehe es besser - auch wenn bei den Kindern sicher seelische Narben zurückblieben.

Der Kaufmann ist von Caring Dads so überzeugt, dass er sich als Ansprechpartner für Interessenten anbietet. Offenbar scheuten sich viele Männer, über ihr Verhalten zu sprechen, meint er. Nur damit sei wohl zu erklären, dass in dem zunächst auf drei Jahre begrenzten Projekt das Angebot die Nachfrage übersteigt: 13 Väter nahmen 2014 an der fortlaufenden Gruppe teil, insgesamt 40 Kinder vom Säuglingsalter an waren betroffen. Zurzeit ist mit fünf Teilnehmern nur die Hälfte der Plätze besetzt. Es gab einzelne Abbrecher unter denen, die von Gericht oder Staatsanwaltschaft geschickt worden waren. Drei Männer wurden ausgeschlossen, weil sie bei dem 26-Doppelstunden-Programm mehrmals ohne Entschuldigung fehlten.

Nun will sich das Männerbüro an Kitas, Familienhebammen und den Stadtelternrat wenden, um das Soziale Training bekannter zu machen und es verstärkt vorbeugend einzusetzen. Herler hofft, dass nach Ende der dreijährigen Modellphase Stadt und Region finanziell einsteigen. „Wer motiviert ist, profitiert wirklich“, meint die Pädagogin. Gewalt sei erlerntes Verhalten, das wieder verlernt werden kann.

Das kann auch bei vom Jugendamt vermittelten „Problemvätern“ funktionieren, wie die Zwischenbilanz des Männerbüros zeigt. Ein Teilnehmer, Mitte 20, war gegen seine Kinder oft handgreiflich geworden, die Stadt vermittelte die drei in eine Pflegefamilie. Im Laufe des Sozialtrainings habe sich das Verhalten des jungen Mannes so deutlich verbessert, dass bei den begleiteten Umgangstreffen auch das Jugendamt davon überzeugt wurde. Die Kinder leben nun wieder bei ihren Eltern.


Männerbüro hilft Tätern und Opfern

Das 1996 gegründete Männerbüro Hannover im Ahrbergviertel in Linden, Ilseter-Meer-Weg 7, unterstützt in verschiedenen Projekten sowohl Täter als auch Opfer in Fällen von häuslicher oder sexueller Gewalt. Das Caring Dads-Sozialtraining, das es in ähnlicher Form seit 2005 in Kanada und seit 2007 auch in Düsseldorf gibt, kooperiert mit den im Hannoverschen Interventionsprogramm gegen Männergewalt in der Familie vertretenen Einrichtungen. Finanziert wird es vom Landessozialministerium, der Klosterkammer Hannover und durch Einnahmen aus Bußgeldern, Spenden und einem Selbstkostenanteil der Teilnehmer. Das Männerbüro ist telefonisch unter (05 11) 12 35 89 10 und im Internet auf www.maennerbuero-hannover.de zu erreichen.